Im Gamingland

Am Abend wird der Security-Mann Ramazan an den Schultern greifen und schütteln. Als Zeichen, dass jetzt Schluss ist. Ramazan wird das Headset vom Kopf reißen, lächeln und sich sehr oft entschuldigen – dann wird er rennen. Auf Toilette, denn er war seit zehn Stunden nicht. Es gab Wichtigeres zu tun: Spikes platzieren, Gegner eliminieren, Skins kaufen. Schon morgen kann er wieder in den Kaninchenbau hinabsteigen. Wie Alice im Wunderland. Wieder für zehn Stunden Freiheit: Zehn Stunden Valorant spielen, einen Ego-Shooter, und keiner wird ihn dabei stören.

Der Eingang zum Kaninchenbau liegt am Berliner Alexanderplatz, das Wunderland im Saturn, dritte Etage: 199 Computer und Konsolen, jedes Videospiel, das es auf dem Markt gibt. Feinste Set-ups, neueste Technik. Alles kostenlos. Für Menschen wie Ramazan ist es ein Traum, für die MediaMarktSaturn Retail Group vor allem Marketing. Gamer sollen sich hier in die Technik verlieben – und sie kaufen…

Die Frau, die den Ballermann revolutionierte

Mia Julia geht auf die Knie. Sie hält mit beiden Händen das Mikrofon. Dann singt sie: „Du bist der geilste Ort der Welt / Bist unser Leben und alles was zählt.“ Die Luft ist dick, die 5000 Menschen, die sie vollgeschwitzt haben, singen weiter: „Hier an der Playa sind wir nie allein / Mallorca da bin ich daheim.“

Ein riesiger Kerl mit Deutschlandhut ext einen Maßkrug Wodka Lemon. Eine Frau im Schalke-Trikot leckt das Gesicht eines Mannes ab. Es ist 22:36 Uhr, der Tag des Mallorca-Saison-Openings. Mia Julias erster, richtiger Auftritt im Megapark, der größten Disko in El Arenal. Ein Auftritt, von dem niemand am Ballermann dachte, dass es ihn jemals geben könnte. Angekündigt wurde der Wechsel wie ein Königstransfer der Bundesliga: Mia Julia geht vom Bierkönig in den Megapark…

Haltungsschäden

Es gibt Dinge, die sind gut gemeint, richten aber bei näherer Betrachtung genau den Schaden an, den sie eigentlich verhindern wollen. Im Berliner Kulturbetrieb brodelt gerade eine solche Geschichte. Es geht um verknappte Instagram-Kacheln, bestimmt gut gemeinte Haltung gegen rechts und den Spendenskandal der AfD. In den Hauptrollen: ein Musiker mit vielen Followern, ein altehrwürdiges Theater und ein mutmaßlich AfD-naher Immobilienunternehmer.

Die Geschichte beginnt bei dem Musiker Zartmann, der sich die vergangenen Monate ein beachtliches Publikum erspielt hat. Auf Tiktok singt er sich durch den Kiez, es geht um Liebe, ums Tanzen und Drogen – das junge Leben in Berlin eben. Ab und an wird es politisch. Zum Beispiel auf dem Lied „Meinen die uns?“. Eine Zeile dort: „F*** die AfD“.

Es wird diese Haltung gewesen sein, die Zartmann im Sinn gehabt hat, als er Anfang vergangener Woche sein Konzert im Berliner Club Metropol absagte…